Die Zelte stehen - wir sind auf einem russischen Campingplatz. Eigentlich haben wir nur eine ruhige Stelle an diesem See gesucht, aber am Ende des Weges fand sich eine Schranke und dahinter dieser Platz auf dem unzählige Russen dem Wodka und dem Grillen fröhnen. Das übliche wie besoffenen Besuch, leckere Grillhähnchengeschenke und Smalltalk beendet den Abend. Etwas Bedenken habe ich wegen der Feuerstellen. Es ist alles knochentrocken und die machen mitten im Wald riesige Lagerfeuer, so dass scheinbar der ganze Wald brennt aber da wir auf der Wiese lagern, sollten wir bei Gefahr noch Chance haben wegzukommen. Das Murmeltier scheint sich hier aber wohl zu fühlen - kein Gemecker und man kommt für ein Foto recht nah dran.
Der Regen wird weniger und wir können hier unmöglich den ganzen Tag verbringen und somit fahren wir jetzt auf die Wolgabrücke - regelrechte Seenlandschaften haben sich auf dem Asphalt gebildet und heftiger Seitenwind drückt das Motorrad mehr als einmal gefährlich tief runter. Und jetzt hebt es auch den Tankrucksack ab. Die Spannriemen sind durch die Nässe länger geworden und ich muss erstmal anhalten und das nachspannen. Klingt einfacher als gedacht, denn in dem Moment wo ich stehe, fehlt eine Stabiliserungskraft und ich habe wirklich Mühe die Maschine gerade zu halten. Ein Blick auf die Wolga zeigt nur eine graue diffuse Masse und ich muss zusehen hier wegzukommen. Hinter der Brücke klart es auf und der Wind legt sich wieder. Das war ein Wetterchen, wie man es nicht alle Tage erlebt.
Immerhin tut der Zeh jetzt nicht mehr weh, aber vorsorglich brauche ich doch neue Schmerztabletten, denn bei der Hitze im Schuh der vergangen Tage, gab es doch Momente, wo ich der Chemie dankbar war. Thomas benötigt auch wieder Geld und so fahren wir nach Saratov rein. In einer Apotheke versuche ich durch
"Aua! Aua! Njet!" inkl schmerzverzerrten Gesicht,
der Bedienung klar zu machen was ich will. Mit dem deutschen Beipackzettel der nun leeren Packung, kann sie nämlich nichts anfangen, aber der alte Mann, der - wie so viele hier - auch mal in der DDR gedient hat, versteht zumindest das Wort Tablette. Der Einkauf ist schliesslich erfolgreich und die Tablettenwirkung lässt den rebellierenden Zeh schnell in den Hintergrund treten.
Thomas fragt in der angrenzenden Bankfiliale nach einem Geldautomat und bekommt die Auskunft, dass 1km Richtung Innenstadt was wäre. Dann tauschen wir hier lieber Geld, aber zwischenzeitlich haben die ihren Laden abgeschlossen und das wird nix mehr, da sich der Bankangestellte stur stellt. Da ist aber ein Bankomatschild und 100m um die Ecke in einem Supermarkt stehen sie wieder in Reih und Glied. Ein bischen verarscht durch den Bankangestellten kommen wir uns schon vor, aber das sind Ausnahmen. Überwiegend sind die Menschen hier wirklich hilfsbereit und freundlich.
Das Hotel ist eigentlich ganz in Ordnung, abgesehen davon, dass aus der Klospülung, dem Wasserhahn und der Dusche nur ein Rinnsaal plätschert. Nach ein bischen Bastelei geht es besser, aber dafür müssen wir einen Stern abziehen. Und für jede gefundene Grille im Zimmer gibts auch Punktabzug. Die Grillen sind hier allerdings in Massen zu finden und das lässt sich wohl nicht vermeiden.
Wolgograd liegt hinter uns und inzwischen ist es wieder brütend heiss. Da kommt ein kleiner Fluss gerade recht. Wir fahren den Feldweg rein und hoffen eine Stelle zu finden, wo man mal kurz ins Nass springen kann. Aber das Ufer ist extrem schlammig und nur für Kühe zum Baden geeignet, die bis zum Bauch versinken. Am nächsten Fluss sieht es ähnlich aus und so machen wir schliesslich eine fast 2 stündige Pause vor einem Gebäude im Schatten der Bäume, um die Mittagshitze auszusitzen. Ein Brunnen sorgt für etwas Erfrischung und ein paar LKW-Fahrer für Unterhaltung. Am späten Nachmittag überholt uns wieder die Gold Wing. Er hat in Wolgograd seinen Kumpel getroffen und das wurde wohl ein etwas längerer Abend.
Während wir klönen, beginnt es zu nieseln und der Himmel verheisst nichts Gutes. Etwas weiter ist ein Restaurant mit Hotel - dorthin schaffen wir es noch, bis mal wieder die Welt untergeht. Er schenkt uns 2 Baretts mit Roten-Armee Stern und gibt uns dann noch Tee und eine Suppe aus, bevor er sich wieder raus auf die Strasse wagt. Thomas und ich entscheiden hier zu übernachten, es ist eh schon spät und mit 460km am heutigen Tag haben wir ja auch was geleistet. Morgen gehts in die Ukraine.