Die Strassen sind hier wirklich prima, aber auch platt, langweilig und immerhin an die 700km weit bis zum grossen Nachbarn. Das schaffen wir heute nicht mehr und so fragen wir auf einem LKW-Parkplatz nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Ein Ladenbesitzer fährt über ein paar kleine Nebenstrassen vorweg zu einem Haus, in dem neben dem Redaktionsbüro der lokalen Zeitung, auch ein paar Zimmer inkl. Dusche und richtigen WC zur Vermietung vorhanden sind. Auf dem von aussen nicht einsehbaren Hof passt ein kleiner Kettenhund, den ich übrigens nicht dazu gebracht habe, sich streicheln zu lassen, auf die Motorräder auf. Prima! Brauchen wir nicht grossartig abladen und sind morgen umso schneller an der Grenze.
Zwei Haken hat die Sache aber: Das Duschwasser stinkt erbärmlich - es steht bestimmt schon seit Fall des Eisernen Vorhangs im Boiler und das sicherlich vorhandene Mikro-Biotop freut sich, dass es in die Freiheit entlassen wird. Viel, sehr viel Duschgel sorgt dafür, dass der Brechreiz unterdrückt wird.
...und jetzt am Morgen ist das Tor verschlossen und keiner ist da, um es zu öffnen...
"So ein Mist... das war's dann mit dem frühen Wegkommen"
Durchs Gartentor passen die Moppeds nicht und so läuft Thomas los um den Vermieter
auf dem LKW-Parkplatz zu suchen. Ich versuche noch mal erfolglos den Hund zutraulich
zu bekommen, bis sein Herrchen auftaucht, der dann auch das Tor aufschliesst.
Jetzt nur noch auf Thomas Rückkehr warten und endlich können wir los. Mariupol - die letzte
grosse Stadt in der Ukraine - lassen wir schnell hinter uns und nach einem unfreiwilligen
Stop wegen Geschwindigkeitsüberschreitung (gab nur eine mündliche Verwarnung... aber
nicht für mich ;-) liegen nun die letzten Kilometer in der Ukraine vor uns.
Bei einer Pause treffen wir einen französischen Motorradfahrer, der in Richtung Zentralasien will und ganz angetan von unseren Koffern und Motorrädern ist. Er selbst fährt ohne Koffer, hat stattdessen alles irgendwie in Taschen am Mopped aufgeschnallt und ohne Schutzkleidung, ja sogar mit Sandalen. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich an die Strecken denke, die vor ihm liegen. Aber ein nettes Gespräch ist natürlich drin und jetzt geht's weiter zum nächsten Grenzabenteuer...
Jetzt fehlt nur noch die Deklaration für die Fahrzeuge. Die gibt es in einem überhitzten
Baucontainer. Ein kleines Zimmer mit Unmengen Formularen, einige Wartende und ein Minibüro
erwarten uns. Nach 2 Stunden Warterei, die mit Ausfüllen der russischen Formulare (an anderen
Grenzübergängen gibt es die auch in Englisch) und suchen der Motornummern (wollte bisher nie jemand
haben) aufgelockert werden, kommen wir endlich dran.
Der Grenzer sitzt verschwitzt und leicht genervt
an seinem Uraltschreibtisch, welcher von einem alten Wähltelefon, einem Computer aus den
"Dark Ages Of Computing" und einigen Ablagekästen verziert wird. Ein grosser Standlüfter sorgt
für etwas Luftbewegung. Knapp 30min später und um 10EUR Schmiergeld ärmer, halten wir die
Deklaration in den Händen und sind jetzt endlich in Russland.
Viele Schauergeschichten von der jetzt vor uns liegenden Strecke bis zum Ural kursieren in den einschlägigen Internetforen. Die Polizei soll hier massiv abzocken - mal sehen was uns so alles blüht....